Berufseinschränkung für Heilpraktiker durch die Hintertür?
In jüngster Zeit gibt es viel Gegenwind für alternative Heilmethoden. Ein weiterer völlig unterschätzter Angriff wurde schon Anfang 2017 gestartet und die Tragweite ist vielen Heilpraktikern noch gar nicht klar: die Novellierung der Medizinprodukte-Betreiber-Verordnung (MPBetreibV).
Klar, alles was gemacht werden kann, um die Sicherheit von Patienten zu gewährleisten oder zu erhöhen, ist gut. Aber ab wann ist die Patientensicherheit denn überhaupt gefährdet? Und wie bei vielen Gesetzen/Verordnungen: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht (siehe DSGVO).
Grundsätzlich sind die meisten Geräte, die in einer Naturheilpraxis zum Einsatz kommen „Medizinprodukte". Die Naturheilkunde kümmert sich oft mit ihren Therapienansätzen um Patienten, die mit der "Schulmedizin" nicht das erreichten haben, was sie wollten/anstrebten. Deshalb sind sie offen für Alternativen. Diese Alternativen sind oft experimentell oder so individuell, dass so eben nicht oder noch nicht Einzug in die klassische Medizin gehalten haben. Ja, zugegebenermaßen: manche Ansätze werden es nie in die Schulmedizin schaffen. Die Gründe sind vielfältig: schlecht generalisierbar, schwer replizierbar, manchmal auch nicht wirkungsvoll. Das zu unterscheiden ist oft sehr schwer. Aber wie gesagt: bei vielen Patienten hat die SChulmedizin zuvor auch versagt. Es ist schwer abzuschätzen, was dann noch helfen kann. Oft gelingt dies aber überraschenderweise doch. Dieses Feld zu regulieren, ist extrem schwer, ohne das Bad mit dem Kinde auszuschütten.
ZU den erwähnten Medizinprodukten gehören z.B. auch Geräte wie EAV (Elektroakupunktur nach Voll), Bioresonanz, TENS u.v.a.m.. Medizinprodukte dürfen nur gemäß einer Zweckbestimmung des Herstellers betrieben werden. Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 MPG ist die Eignung von Medizinprodukten für den vorgesehenen Verwendungszweck grundsätzlich durch eine klinische Bewertung anhand von klinischen Daten nach § 3 Nr. 25 MPG zu belegen. Da gerade in der Naturheilkunde jedoch oft „wissenschaftlich nicht anerkannte" Behandlungsmethoden zum Zuge kommen, ist die klinische Bewertung quasi per Definition nicht möglich und damit die Geräte nicht legal in der Praxis einsetzbar. Wie wirklichkeitsfern dies ist, wird z.B. an Geräten für den Heimgebrauch deutlich: ein TENS-Gerät für den Selbsteinsatz ohne jede therapeutische Vorbildung ist bei Discountern zu erwerben, vergleichbare Geräte für den Praxiseinsatz sind oft nicht legal.
Insbesondere die Hersteller und Inverkehrbringer solcher Geräte sind in die Pflicht genommen und müssen die Richtlinie 3/42/EWG für aktive Medizinprodukte, die des MPG, MPBetreibV sowie diverse weitere Verordnungen einhalten. Dies erfordert einen hohen Verwaltungsaufwand für Qualitätssicherung und Dokumentation. Nach Erwerb eines Medizinproduktes muss der Betreiber durch eine vom Hersteller autorisierte Person eingewiesen werden (viele Hersteller haben diese Person überhaupt nicht). Oft werden teure Medizinprodukte nach einiger Zeit an Kollegen veräußert. Auch hier ist dann eine Einweisung durch den Hersteller, nicht durch den Verkäufer, Pflicht. Damit wird der Gebrauchtmarkt schnell ausgetrocknet.
Viele auf dem Markt für Naturheilmittel angebotene „Medizinprodukte" erfüllen die Definition für Medizinprodukte nach den Buchstaben des Gesetzes nicht und eine regelkonforme Inbetriebnahme ist somit auch ausgeschlossen. Aber auch gesetzeskonforme Medizinprodukte sind als Gebrauchtgerät ohne erheblichen (auch finanziellen) Aufwand kaum regelkonform zu betreiben. Wie gesagt: all das wird im Konsumermarkt mit vergleichbaren Geräten ignoriert.
Mit diesen Gesetzesanpassungen schränkt der Gesetzgeber (auf wessen Initiative?) die Anwendung vieler Therapien in der sog. alternativen Heilkunde drastisch ein. Ob dies nur der Sicherheit der Patienten dient, erscheint mir jedoch fraglich. Für viele Hersteller lohnt sich wegen z.T. kleiner Stückzahlen die Durchführung kostspieliger klinischer Studien nicht. Nicht in Studien bewiesen, jedoch tagtäglich in der Praxis, reicht nicht. Wer heilt hat nicht immer (das) Recht (auf seiner Seite).
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