Metformin - eine Wunderdroge?
Metformin ist das meistverkaufte Medikament gegen Diabetes Typ 2. Wie genau das Medikament wirkt, war jahrelang nicht bekannt. Nun kommt die Forschung dem Wirkmechanismus auf die Spur.
Als Heilpraktiker steht man Medikamenten oft etwas skeptisch gegenüber. da ich aber auch jahrelang in der Pharmaforschung tätig war, bemühe ich mich hier einen pragmatischen Ansatz zu finden: Medikamente dann, wenn es anders nicht geht. Bei Metformin scheiden sich da oft die Geister. Es gibt wohl keine (chronische) Erkrankung, die so einfach mit der "richtigen" Ernährung zu vermeiden wäre wie Diabetes Typ 2. Und es gibt keine Krankheit, wo man mit der "richtigen" Ernährung auf Medikamente verzichten könnte wie Diabetes Typ 2. Es gibt aber auch kaum ein Medikament, dass so preiswert und wirksam ist, wie Metformin, was die Bereitschaft der Patienten, sich "richtig" (= keine oder nur wenige Kohlenhydrate) zu ernähren, stark einschränkt.
Jahrelang wurde Metformin eingesetzt, ohne dass man genau verstand, wie es wirkte. Chemisch gesehen gehört Metformin zu den Biguaniden, die strukturell mit dem Alkaloid Galegin verwandt sind. Der Name stammt von der Geißrute (Galega officinalis), einer Pflanze, deren getrocknete, pulverisierte Blätter schon im Mittelalter Patienten verabreicht wurde, die unter ständigem Harndrang litten, oft einem Kennzeichen von Diabetes. Damit wird dann auch wieder das Gemüt des Naturheilkundlich-Interessierten beruhigt, wenn man sich mit Metformin beschäftigt.
Neben seiner Blutzucker senkenden Wirkung wird Metformin mittlerweile bei einer Reihe von anderen Krankheitsbildern eingesetzt: so kann das Medikament bei Herzpatienten eingesetzt werden, die nicht unter Diabetes leiden, um das Gewicht zu reduzieren. Aus diesem Grund wird auch ohne Herzerkrankung versucht, Metformin zur Gewichtsreduktion anzuwenden. Auch als Begleitmedikation in der Krebstherapie spielt Metformin zunehmend eine Rolle und sogar bei der Behandlung von Lungentuberkulose. Auch als Lifestyle-Droge mit Anti-Aging Effekt macht Metformin derzeit von sich reden.
Nun scheint man dem (oder einem) Wirkmechanismus dieses Moleküls auf die Schliche gekommen zu sein, der den Einsatz in so unterschieden Indikationen erklärt. Es handelt sich um das Molekül GDF15, growth/differentiation factor 15. Metformin scheint im Körper die Herstellung dieses Moleküls zu induzieren. GDF15 gehört zu einer großen Familie von Zytokinen (TGF-ß Familie), die wie Hormone zelluläre Funktionen steuern. Das GDF15 nach der Gabe von Metformin ansteigt, wusste man seit ein paar Jahren (Gerstein et al, 2016), aber der funktionelle Zusammenhang fehlte. Vor kurzem wurde dann gezeigt, dass GDF15 das Hungergefühl unterdrücken kann und damit zu einem Gewichtsverlust führt (Day et al., 2019). Spannend ist in diesem Zusammenhang die Entdeckung, dass man auch mittels Sport GDF15 erhöhen kann (Kleinert et al., 2018; Zhang et al., 2018). Die neueste Publikation von Coll et al., 2020 zeigt nun, dass die Glukose senkende Wirkung von Metformin anscheinend doch nicht über GDF15 gesteuert wird. Alles also doch viel komplizierter als gedacht. Und obwohl mit großem TamTam veröffentlicht, zeigt es ja nur, dass man immer noch nicht weiß, wie es bei Diabetes hilft. Aber man will ja Geld verdienen und muss dafür trommeln.
Große Pharma-Firmen versuchen nun schon Medikamente auf Basis von GDF15 zu entwickeln, die dann nicht mehr die Blutzuckerkontrolle, sondern gezielt nur noch die Gewichtskontrolle steuern. Damit erschließt man natürlich große Märkte.
Meiner Meinung nach würde da wohl einfach mehr Sport ausreichen, wenn man sich diese Daten anschaut. Aber das kann man ja nicht als Pille verkaufen.
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