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Medizinisches Schwarz/Weiß Denken verhindert (Selbst-) Heilung




Nicht die Medizin heilt, sondern der Körper heilt sich meist selbst. Medizin unterstützt dabei. Aber das Timing ist wichtig. Und die Definition, was Medizin ist, lasse ich jetzt mal offen. Aber es gibt für eine Aktion oft den optimalen Zeitpunkt. Oder die Aktion, verpufft, weil der Zeitpunkt zu spät ist. Ein Boxer, der sich duckt, wenn der Schlag im Gesicht angekommen ist, agiert zu spät. Ein guter Boxer sieht den Schlag kommen und duckt sich bevor der Treffer eintritt.
In Vorzeiten haben gute Segler den Himmel beobachtet und schon bei ersten Veränderungen am Horizont erkannt, dass ein Sturm aufzieht. Rechtzeitig erkannt, verhindert man dann, in ein Unwetter zu steuern oder die Segel werden rechtzeitig gerefft, um zu verhindern, dass der Mast bricht.

Wie ein guter Segler sollte ein guter Therapeut Laborwerte betrachten. Auch wenn noch gutes Wetter herrscht, kann ein Sturm aufziehen. Dann lapidar zu sagen, die Werte liegen in der Norm, muss nicht der richtige Weg sein. Ja, nicht immer zieht tatsächlich ein Sturm aus. Aber oft reicht im Vorfeld eine leichte Korrektur und man reduziert das Risiko. Ist das verwerflich?

Der goldene Gral der Medizin sind die Referenzwerte. Interessanterweise sind diese jedoch sehr volatil. Sie unterscheiden sich von Labor zu Labor, je nachdem wer bei der Erhebung der Referenz gemessen wurde. Messe ich 100 gesunde junge Menschen, liegt der durchschnittliche Cholesterin-Wert in Schnitt wohl niedriger, als wenn ich hundert ältere, übergewichtige Personen messe. Wer sendet seine Daten in ein Labor? Die Chance, dass das Proben von erkrankten Personen sind ist höher, als dass es gesunde Personen waren. Was ist dann die Norm /Normal?

Ja, es besteht ein Risiko: senkt man die Schwelle, ab wann ein Normwert nicht mehr normal ist, sind plötzlich mehr Personen außerhalb der Norm und damit als behandlungsbedürftig eingestuft. Auch hier wieder das typische Beispiel des Cholesterin-Wertes. Waren früher Werte von 250 noch normal, wird heute ein Wert unter 200 angestrebt (es werden natürlich auch noch andere Blutfette betrachtet). Damit sind plötzlich alle Personen, die früher zwischen 200 und 250 lagen, außerhalb der Norm. Wenn solche Werte nur dazu dienen, mit Medikamenten zu behandeln, betrachtet man die Situation eben falsch. Versucht man in einem Bereich, der grenzwertig ist, durch Verhaltensänderungen (Ernährung, Bewegung etc.) die Selbstheilungskräfte des Körpers zu nutzen, ist das ein guter Weg.

In unserer Praxis sehen wir die Welt farbig. Nicht Schwarz/Weiß. Manche Diagnoselabors senden die Auswertung nicht in Schwarz/Weiß, sondern zusätzlich gibt es Farbscalen in Rot und Grün. Manchmal mit einem kleinen gelben Übergangsbereich. Für uns sind die Scalen noch farbiger. Es gibt Grün = optimal. Dann Gelb/Grün (nicht ganz optimal). Dann Gelb = erste Vorzeichen, dass etwas nicht ok ist, man könnte jetzt schon etwas tun, damit es wieder optimal wird. Dann Orange = jetzt muss spätestens agiert werden, sonst müssen evtl. tatsächlich Medikamente verordnet (oder andere Therapien) werden. Rot = Ja, etwas ist nicht in Ordnung und man muss nun ein Medikament verordnen (oder eine andere Therapie machen). Man ist aber aus dem Gebiet der Prävention heraus gefallen, wo die Selbstheilungskräfte des Körper reichen oder nur sanft unterstützt werden können. Wirklich wichtige Arbeit ist im Bereich von Gelb/Grün bis Orange zu tun: Prävention = Vermeidung von Krankheit und Optimierung des Körpers. Hier sind die Eingriffe auch noch viel leichter. Ein Meteor, der noch ein Lichtjahr von der Erde entfernt ist, fliegt mit minimalen Abweichungen vom Kurs an der Erde vorbei. Ist er in Sichtweite, kann man den Einschlag wohl nur noch (wenn überhaupt) mit sehr hohen Energien vermeiden.

Klar ist dann immer die Diskussion, ob man mit der frühzeitigen Prävention nicht übertreibt, wenn man nicht weis, ob eine Krankheit überhaupt eingetreten wäre. Ziel sollte sein, durch vorzeitiges, bedachtes Handeln die Krankheit zu vermeiden und nicht frühzeitig eine Therapie auszulösen. Ein schmaler Grad. Aber die oft langfristige Einnahme von Medikamenten, die man im Vorfeld hätte vermeiden können, ist auch eine Übertreibung.

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