Anlässlich des 1. Deutschen Jodkongresses am 3. März 2018 in Düsseldorf habe auch ich einen Vortrag mit dem Thema: „Welche Faktoren beeinflussen den Natrium Jodid Symporter?“ halten dürfen. Der Kongress stieß auf gute Resonanz und wurde an vielen Stellen positiv erwähnt (z.B. auf der Seite von Dr. Strunz, einem der Ärzte, die über den Tellerrand hinaus schauen). Nachdem Adriana Ihren Beitrag „Jod - Mehr als nur Schilddrüse“ bereits zusammengefasst hatte, tue ich dies nun auch hier in diesem Blog.
Jod hat im Körper in vielen Organen unterschiedlichste Funktionen. Die Schilddrüse ist im Körper das Organ mit dem höchsten Jodgehalt. Aber auch andere Organe zeigen Jodaufnahme, was leicht mit radioaktiv markiertem Jod gezeigt werden kann. Im menschlichen Körper kommt Jod in vielen unterschiedliche Formen vor: als Jodid (I-), Jod (J2), Trijodid (I3), Hypoiodit (IO-), Jod bindende Biomoleküle (Schilddrüsenhormone und Jodo-Laktone, bzw. Jojo-Lipide). Da Jod auf unserer Erde ein Spurenelement darstellt und relativ selten vorkommt, entwickelte der Körper verschiedene Mechanismen, um das seltene Element anzureichern. Aus der Nahrung nimmt der Körper Jod in Form von Jodsalzen oder in elementarer Form auf. Im Körper wird es dann organifiziert, das heißt, an organische Substanzen gebunden. Das elementare Jod ist in der Lage, passiv durch Zellmembranen zu diffundieren. In der Zelle wird es hauptsächlich als Jodo-Lipide oder Jodo-Laktone gebunden und angereichert. Jodid-Ionen brauchen spezielle Transporter-Moleküle, die sie in die Zellen bringen. Der wichtigste Transporter heißt Natrium-Jodid-Symporter (auch NIS genannt). Symporter bedeutet, dass durch diesen Transporter nicht nur Jod-Ionen, sondern gleichzeitig auch Natrium-Ionen in die Zelle gepumpt werden.
Das Gen (SLC5A5) für den Natrium-Jodid-Symporter wurde 1996 in einer Schilddrüsenzelllinie entdeckt und kloniert (Dai et al., 1996). Es handelt sich bei diesem Protein beim Menschen um ein 643 Aminosäuren langes Molekül, das mit 13 Transmembran-Domänen fest in der Zellmembran verankert ist. Es besitzt drei Glycosylierungsstellen, an denen Zucker angeheftet werden kann (was aber augenscheinlich die Aktivität nicht beeinflusst). Das Protein kommt in allen Eukaryonten außer Pflanzen vor. Der NIS wurde mittlerweile in einer Reihe von Organen außerhalb der Schilddrüse identifiziert und dient damit auch als indirekter Beweis, dass Jod nicht nur in der Schilddrüse wichtige Funktionen hat. So findet man den NIS z.B. in: Speicheldrüsen, Magenschleimhaut, Darmepithel, Nierengewebe, laktierenden Brustgewebe, Ovarien, Plazenta und Gehirn.
Der Natrium-Jodid-Symporter gehört in eine Familie von Molekülen, die große Ähnlichkeit untereinander besitzen und für den Transport verschiedener Substanzen in Zellen dienen (Darrouzet at al., 2014).
Diese Familie wird im englischen als SSSF bezeichnet (Sodium/Solute Sympoter-Family), wobei Solute für verschiedene Moleküle steht, die je nach Symporter-Typ in die Zellen zusammen mit Sodium (=Natrium) eingeschleust werden. Zu den Molekülen, die mit der Hilfe dieser Familienmitglieder in Zellen gelangen, gehören so unterschiedliche Substanzen wie Zucker, Aminosäuren, Myo-Ionsitol, Vitamine (Pantothenat, Biotin), Harnstoff und eine Reihe von Anionen.
Von der Art der Moleküle hängt dann auch die Anzahl der Natrium-Ionen ab, die mit ihnen zusammen in die Zellen wandern. Beim NIS sind dies zwei Natrium-Ionen pro Jodid-Ion, ähnlich wie beim eng verwandten SMVT (Sodium Multivitamin Symporter), der für den Transport von Pantothenat und Biotin zuständig ist. Im Fall von Jodid binden sich zuerst 2 Na+ Ionen an den Rezeptor und erhöhen damit die Affinität zu Jodid Ionen ca. um das 10fache. Insgesamt ist der NIS in der Lage, Jodid in Zellen um das etwa 40fache im Vergleich zur Umgebung anzureichern, ein eigentlich recht moderater Wert, im Vergleich zu anderen Rezeptor-Systemen.
Interessanterweise sind die Symporter-Eigenschaften dieser Moleküle nicht zu 100% festgelegt. Bedingt durch ihre „Bauart“ ist es möglich, dass Moleküle mit ähnlicher Größe und Ladung durchaus denselben Symporter nutzen können - wenn auch mit geringerer Effizienz. Beim NIS sind dies in der angegebenen Reihenfolge: ClO4->ReO4->I->SeCN->SCN->ClO3->NO3->Br->BF4->IO4- (Paroder –Belenitsch et al., 2011). Aus dieser Aufstellung geht hervor, dass Jod tatsächlich nicht die höchste Affinität zum NIS besitzt. Das Perchlorat-Anion (ClO4-) ist in der Lage 30mal besser an den NIS als Jodid zu binden, und damit die Aufnahme von Jodid kompetitiv zu blockieren, während es selbst aufgenommen wird (Tran et al., 2008) . Im Nachhinein kann man sich also durchaus fragen, ob der Natrium/Iodid-Symporter nicht besser Natrium/Perchlorat Sympoter hätte genannt werden sollen. Diagnostisch wird die unspezifische Aktivität der NIS z.B. dafür genutzt, dass neben radioaktivem Jod (131I) auch 211At und 99Tc durch den NIS in Zellen transportiert werden kann.
Auch der SMVT (Multivitamin-Symporter) kann Jodid mit relativ hoher Affinität in Zellen einschleusen (de Carvalho and Quick, 2011). Neben der passiven Diffusion stehen damit also verschiedene Wege zur Verfügung, um Jodid in die Zellen zu bringen.
Das in die Zellen aufgenommene Jodid wird z.T. in jodhaltige Biomoleküle eingebaut (Organifizierung), die dann wieder aus der Zelle ausgeschleust werden und verschiedene biologische Funktionen haben. Zum Teil wird Jodid jedoch auch unverändert direkt wieder aus Zellen ausgeschüttet. Dies geschieht meist als Passage durch Zellmembranen hindurch. Für den Transport aus Zellen heraus existieren andere Transportsysteme, als für den Transport in die Zellen hinein.
Auch hier gibt es wieder eine Reihe unterschiedlicher Transporter, die eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Affinität für Jodid besitzen. Bekannt dafür, Jodid aus Zellen heraus zu pumpen, sind PENDRIN, ANO1 (anoctamin 1) und CFTR (cystic fibrosis transmembrane conductance regulator).
Ein Transport durch Zellschichten hindurch findet z.B. in der Brustdrüse während der Laktation statt, wo das Jodid aus dem mütterlichen Blutkreislauf in die Milch für den Säugling übertragen wird. Ähnliches geschieht im Uterus während der Schwangerschaft, wo das Jodid aus dem mütterlichen Blutkreislauf über die Plazenta an den Fötus weitergegeben wird. In den Ovarien wird das Jodid in die Eileiter transportiert.
Im Verdauungstrakt wird Jodid in den Speicheldrüsen aus den Kapillaren in den Speichel abgegeben, im Magen über die Magenschleimhaut in das Magenlumen. Dort haben die entstehenden jodhaltigen Moleküle wohl eine antibakterielle Wirkung. Da Jod ja ein seltenes Spurenelement ist, findet dann im Dünndarm wieder eine Resorption in umgekehrter Richtung statt und das Jodid wird wieder aus dem Darmlumen in den Blutkreislauf zurückgeführt. Bewerkstelligen kann dies der Körper, indem er auf den verantwortlichen Zellen, die Symporter, die Jodid in die Zellen pumpen sollen und die Transporter, die Jodid aus den Zellen herauspumpen sollen, auf der jeweiligen Gegenseite anordnet, so dass der Stofftransport durch die Zellen funktioniert (De la Vieja and Santisteban, 2018)
Die Regulation der NIS Menge pro Zelle erfolgt in der Schilddrüse direkt über TSH (Thyroid stimulating hormone). Eine negative Rückkopplung findet über die Menge an Jodid statt, die in die Zelle gelangt (Wolff-Chaikoff-Effekt), sowie über die Menge an Schilddrüsenhormonen, die sich im Blut befindet. Diese negative Rückkopplung wird auch über Protein-Protein-Interkationen mittels z.B. PBF oder KCNQ1-KCNE2-Kalium-Kanäle innerhalb der Zelle vermittelt (Neverisky and Abbott, 2017).
Es konnten mittlerweile eine Reihe von natürlich vorkommenden Mutationen im NIS in Patienten gefunden werden, die die Funktion des Rezeptors einschränken oder zerstören. Alle Patienten zeigen Symptome eines Hypothyroidismus, also einer Schilddrüsenunterfunktion. Dies zeigt, dass für den hohen Jod-Bedarf der Schilddrüse die Aktivität des NIS nicht ersetzbar ist, in anderen Organen jedoch die Funktion durch andere Systeme, wie z.B. den SMVT übernommen und kompensiert werden kann (Nicola et al., 2011).
Eine evtl. therapeutisch nutzbare Erkenntnis ist die Beobachtung, dass verschiedene Tumorzellen während der Entartung NIS herstellen (z.B. Brust- und Prostatakrebs). Da das jeweilige gesunde Gewebe (bei Brustkrebs zumindest außerhalb der Laktation) dies nicht tut, gibt es die Möglichkeit, Jodid ähnliche Giftstoffe, in diese Zellen zu bringen (wie die schon oben erwähnten Radiodiagnostika).
Fazit:
Der Körper besitzt eine Reihe von Möglichkeiten, Jodid in verschiedenen Organen anzureichern. Das bekannteste System dafür ist der Natrium-Jodid-Symporter. Doch dieser kann auch andere Moleküle in Zellen bringen, und andere Transporter sind in der Lage, auch Jodid in Zellen zu pumpen. Damit besteht eine gewisse Redundanz, um sicherzustellen, dass das wichtige Spurenelement Jod immer in ausreichendem Maß zur Verfügung steht. Im Konzert mit Transportern, die Jodid auch aus Zellen herauszupumpen ist ein gezielter Stofftransport auch durch Zellbarrieren hindurch möglich. Dies stellt einen wichtigen Mechanismus dar, mit dem die Mutter den Fötus und später auch Säugling mit dem lebenswichtigen Jod versorgen kann.

Autor: Jens
Bildquelle: © Haratu – Pixabay.com
Ein Transport durch Zellschichten hindurch findet z.B. in der Brustdrüse während der Laktation statt, wo das Jodid aus dem mütterlichen Blutkreislauf in die Milch für den Säugling übertragen wird. Ähnliches geschieht im Uterus während der Schwangerschaft, wo das Jodid aus dem mütterlichen Blutkreislauf über die Plazenta an den Fötus weitergegeben wird. In den Ovarien wird das Jodid in die Eileiter transportiert.
Im Verdauungstrakt wird Jodid in den Speicheldrüsen aus den Kapillaren in den Speichel abgegeben, im Magen über die Magenschleimhaut in das Magenlumen. Dort haben die entstehenden jodhaltigen Moleküle wohl eine antibakterielle Wirkung. Da Jod ja ein seltenes Spurenelement ist, findet dann im Dünndarm wieder eine Resorption in umgekehrter Richtung statt und das Jodid wird wieder aus dem Darmlumen in den Blutkreislauf zurückgeführt. Bewerkstelligen kann dies der Körper, indem er auf den verantwortlichen Zellen, die Symporter, die Jodid in die Zellen pumpen sollen und die Transporter, die Jodid aus den Zellen herauspumpen sollen, auf der jeweiligen Gegenseite anordnet, so dass der Stofftransport durch die Zellen funktioniert (De la Vieja and Santisteban, 2018)
Die Regulation der NIS Menge pro Zelle erfolgt in der Schilddrüse direkt über TSH (Thyroid stimulating hormone). Eine negative Rückkopplung findet über die Menge an Jodid statt, die in die Zelle gelangt (Wolff-Chaikoff-Effekt), sowie über die Menge an Schilddrüsenhormonen, die sich im Blut befindet. Diese negative Rückkopplung wird auch über Protein-Protein-Interkationen mittels z.B. PBF oder KCNQ1-KCNE2-Kalium-Kanäle innerhalb der Zelle vermittelt (Neverisky and Abbott, 2017).
Es konnten mittlerweile eine Reihe von natürlich vorkommenden Mutationen im NIS in Patienten gefunden werden, die die Funktion des Rezeptors einschränken oder zerstören. Alle Patienten zeigen Symptome eines Hypothyroidismus, also einer Schilddrüsenunterfunktion. Dies zeigt, dass für den hohen Jod-Bedarf der Schilddrüse die Aktivität des NIS nicht ersetzbar ist, in anderen Organen jedoch die Funktion durch andere Systeme, wie z.B. den SMVT übernommen und kompensiert werden kann (Nicola et al., 2011).
Eine evtl. therapeutisch nutzbare Erkenntnis ist die Beobachtung, dass verschiedene Tumorzellen während der Entartung NIS herstellen (z.B. Brust- und Prostatakrebs). Da das jeweilige gesunde Gewebe (bei Brustkrebs zumindest außerhalb der Laktation) dies nicht tut, gibt es die Möglichkeit, Jodid ähnliche Giftstoffe, in diese Zellen zu bringen (wie die schon oben erwähnten Radiodiagnostika).
Fazit:
Der Körper besitzt eine Reihe von Möglichkeiten, Jodid in verschiedenen Organen anzureichern. Das bekannteste System dafür ist der Natrium-Jodid-Symporter. Doch dieser kann auch andere Moleküle in Zellen bringen, und andere Transporter sind in der Lage, auch Jodid in Zellen zu pumpen. Damit besteht eine gewisse Redundanz, um sicherzustellen, dass das wichtige Spurenelement Jod immer in ausreichendem Maß zur Verfügung steht. Im Konzert mit Transportern, die Jodid auch aus Zellen herauszupumpen ist ein gezielter Stofftransport auch durch Zellbarrieren hindurch möglich. Dies stellt einen wichtigen Mechanismus dar, mit dem die Mutter den Fötus und später auch Säugling mit dem lebenswichtigen Jod versorgen kann.
Autor: Jens
Bildquelle: © Haratu – Pixabay.com
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