Schon Hippokrates warnte vor über 2000 Jahren: Der Tod sitzt im Darm! Ob er schon damals eine Ahnung vom „Leaky Gut Syndrom“ hatte? Weltweit steigt parallel zu dem Konsum industriell verarbeiteter Lebensmittel die Anzahl von Autoimmunkrankheiten (Lerner and Matthias, 2015). Auch in unserer Praxis stellen sich immer häufiger Patienten mit Autoimmunkrankheiten vor, die eines gemeinsam haben: schwerwiegende Darmprobleme. Können diese Darmprobleme der Grund von verschiedenen Autoimmunkrankheiten sein?
Unser Darm ist faktisch ein Schlauch, der durch unseren Körper läuft. Daher sind Dinge, die wir essen und die sich noch im Darm befinden, so gesehen noch außerhalb unseres Körpers. Erst wenn die Nahrungsmittel durch die Darmwand aufgenommen werden und ins Körperinnere gelangen, können wir sie verwerten. Diese Grenze zwischen Innen und Außen wird jedoch schwer bewacht, und dies aus gutem Grund. Die Bakterien des Darms dürfen nicht in das Körperinnere gelangen, aber der Darm muss trotzdem in der Lage sein, die verdaute Nahrung und Flüssigkeit durchzulassen. Dies geschieht aktiv entweder direkt durch die Darmzellen hindurch oder durch kleine Lücken (Tight Junctions) zwischen den Zellen. Der Darm hat, weil er zur Oberflächenvergrößerung mit Darmzotten besetzt ist, die enorme Fläche von einem Tennisplatz. Auf dieser Fläche tummeln sich 1014 Bakterien, d.h. in unserem Darm befinden sich 100mal mehr Mikroorganismen als unser Körper Zellen hat. Die Gesamtheit der Mikroorganismen im Darm wird als Mikrobiom bezeichnet. Um gut funktionieren zu können, muss die Zusammensetzung vielfältig sein und aus den richtigen Arten bestehen. Ein gut zusammengesetztes Mikrobiom verhindert die Ansiedlung von Schadkeimen und unterstützt die Versorgung der Darmzellen.
Um diese Heerschar an Bakterien am Eindringen in den Körper zu hindern, muss diese Darmbarriere gut kontrolliert werden. Um den Darm herum befindet sich der Großteil aller Immunzellen des Körpers. Im Darmepithel sitzen Immunzellen wie Wächter und überprüfen, was durchgelassen wird oder was attackiert wird. Diese Immunzellen erkennen z.B. bakterielle Proteine und verhindern, dass Bakterien durch die Darmwand ins Körperinnere gelangen. Ferner regulieren sie das friedliche Zusammenleben der guten Darmbakterien mit der Darmwand. Nebenbei sind die Immunzellen dafür da, die Immuntoleranz aufrecht zu erhalten, das heißt die Fähigkeit des Körpers, nicht gegen die normalen Nahrungsbestandteile zu reagieren, und diese als Eindringlinge zu bekämpfen. Es gibt Forschungsarbeiten die zeigen, dass der Darm mit den darin lebenden Bakterien kommuniziert und dadurch das Immunsystem der Darmschleimhaut reguliert (Round and Mazmanian, 2009).
Um den Darm herum liegt auch ein komplexes Nervengeflecht, welches die größte Nervenansammlung außerhalb des Gehirns darstellt. Diese Nerven regulieren alle Hauptfunktionen der Verdauung, wie die Enzymausschüttung in den Darm, die Nahrungsaufnahme aus dem Darm heraus und den Grad der Durchlässigkeit (Collins and Bercik, 2009). Diese Nerven übermitteln auch Signale an das Gehirn und bilden die sog. Darm-Hirn-Achse. Darauf basiert unser Begriff „Bauchgefühl“. Der Darm ist sogar in der Lage, über den Nervus vagus und mit Hormonen mit dem Gehirn zu interagieren und damit sogar unsere Stimmung zu beeinflussen (Chung and Kasper, 2010). Die Bakterien des Mikrobioms können über die Darm-Hirn-Achse Einfluss auf unser Gehirn nehmen und sogar die negativen Auswirkungen von Depressionen und Autismus reduzieren (Ledochowski et al., 2000; Sandler et al., 2000).
Es gibt verschiedene Nahrungsbestandteile oder -zusätze, die die Durchlässigkeit des Darms erhöhen (englisch: leaky gut = durchlässiger Darm). Dazu gehören so unverfänglich klingende Substanzen wie Zucker und Salz, aber auch Emulsionsmittel wie z.B. das Lecithin, der Weizenkleber Gluten und bakterielle Transglutaminase, die z.B. bei der Wurstherstellung eingesetzt wird. Diese können dazu führen, dass Bakterien oder Nahrungsbausteine in den Körper eindringen und zu Immunreaktion führen. Normalerweise wird die Nahrung im Darm durch Enzyme stark zerkleinert und diese kleinen Fragmente stimulieren das Immunsystem nicht. Sind die Öffnungen in der Darmwand zu groß, können größere Moleküle durchschlüpfen, die in der Lage sind, eine Reaktion des Immunsystems auszulösen. Einige dieser Nahrungsbestandteile können auch direkt im Körper zu Reaktionen führen. In diesem Zusammenhang möchte ich besonders das Gluten erwähnen, welches aus Getreide stammt und z.B. in Brot und Nudeln zu finden ist. Es stimuliert die Abgabe des Proteins Zonulin aus der Darmwand, welches die schon erwähnten kleinen Lücken zwischen den Zellen (Tight Junctions) erweitert. Ähnlich funktioniert übrigens ein Zellgift der Cholera-Bakterien, welches über den gleichen Mechanismus den Darm schädigt. Durch diese erweiterten Löcher können dann Bakterien und größere Moleküle in den Körper eindringen. Die Folge von diesen Löchern in der Darmwand können so unterschiedliche Autoimmunkrankheiten wie Schilddrüsenerkrankungen (speziell Hashimoto), Zöliakie, rheumatoide Arthritis, Diabetes Typ 1 und Multiple Sklerose sein. Der Körper produziert in diesen Fällen Antikörper gegen Strukturen, mit denen er sich normalerweise nicht auseinandersetzen muss. Bei einzelnen Personen, die genetisch dafür veranlagt sind, richten sich diese Antikörper dann auch gegen eigene Körperstrukturen, was diese Autoimmunkrankheiten auslöst (Fasano et al., 2011).
Heute kann mit neuen Testmethoden nicht nur eine Sensitivität für Gluten festgestellt werden, sondern man kann mittlerweile sogar Zonulin und Antikörper gegen Zonulin in Patienten messen. Im Fall von Gluten ist eine Abhilfe einfach: Entfernt man Gluten-haltige Lebensmittel vom Speiseplan, sinken die Zonulin-Spiegel, der Darm kann seine Barrierefunktion wieder aufbauen, die Autoimmun-Antikörper verschwinden und die Effekte gehen zurück.
In der nächsten Zeit werde ich mich verschiedenen Autoimmunkrankheiten widmen und beschreiben, wie man nachweisen kann, dass hier die Ursache im Darm liegt und Tipps geben, wie man den Darm wieder regenerieren kann. Wer betroffen ist und Interesse an einer individuellen Beratung hat, kann sich gerne auch über unser Kontaktformular melden. Da wir uns auf funktionelle Diagnostik spezialisiert haben, können wir helfen, die richtigen Tests zu machen und die Daten zu interpretieren.
Autor: Jens
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Unser Darm ist faktisch ein Schlauch, der durch unseren Körper läuft. Daher sind Dinge, die wir essen und die sich noch im Darm befinden, so gesehen noch außerhalb unseres Körpers. Erst wenn die Nahrungsmittel durch die Darmwand aufgenommen werden und ins Körperinnere gelangen, können wir sie verwerten. Diese Grenze zwischen Innen und Außen wird jedoch schwer bewacht, und dies aus gutem Grund. Die Bakterien des Darms dürfen nicht in das Körperinnere gelangen, aber der Darm muss trotzdem in der Lage sein, die verdaute Nahrung und Flüssigkeit durchzulassen. Dies geschieht aktiv entweder direkt durch die Darmzellen hindurch oder durch kleine Lücken (Tight Junctions) zwischen den Zellen. Der Darm hat, weil er zur Oberflächenvergrößerung mit Darmzotten besetzt ist, die enorme Fläche von einem Tennisplatz. Auf dieser Fläche tummeln sich 1014 Bakterien, d.h. in unserem Darm befinden sich 100mal mehr Mikroorganismen als unser Körper Zellen hat. Die Gesamtheit der Mikroorganismen im Darm wird als Mikrobiom bezeichnet. Um gut funktionieren zu können, muss die Zusammensetzung vielfältig sein und aus den richtigen Arten bestehen. Ein gut zusammengesetztes Mikrobiom verhindert die Ansiedlung von Schadkeimen und unterstützt die Versorgung der Darmzellen.
Um diese Heerschar an Bakterien am Eindringen in den Körper zu hindern, muss diese Darmbarriere gut kontrolliert werden. Um den Darm herum befindet sich der Großteil aller Immunzellen des Körpers. Im Darmepithel sitzen Immunzellen wie Wächter und überprüfen, was durchgelassen wird oder was attackiert wird. Diese Immunzellen erkennen z.B. bakterielle Proteine und verhindern, dass Bakterien durch die Darmwand ins Körperinnere gelangen. Ferner regulieren sie das friedliche Zusammenleben der guten Darmbakterien mit der Darmwand. Nebenbei sind die Immunzellen dafür da, die Immuntoleranz aufrecht zu erhalten, das heißt die Fähigkeit des Körpers, nicht gegen die normalen Nahrungsbestandteile zu reagieren, und diese als Eindringlinge zu bekämpfen. Es gibt Forschungsarbeiten die zeigen, dass der Darm mit den darin lebenden Bakterien kommuniziert und dadurch das Immunsystem der Darmschleimhaut reguliert (Round and Mazmanian, 2009).
Um den Darm herum liegt auch ein komplexes Nervengeflecht, welches die größte Nervenansammlung außerhalb des Gehirns darstellt. Diese Nerven regulieren alle Hauptfunktionen der Verdauung, wie die Enzymausschüttung in den Darm, die Nahrungsaufnahme aus dem Darm heraus und den Grad der Durchlässigkeit (Collins and Bercik, 2009). Diese Nerven übermitteln auch Signale an das Gehirn und bilden die sog. Darm-Hirn-Achse. Darauf basiert unser Begriff „Bauchgefühl“. Der Darm ist sogar in der Lage, über den Nervus vagus und mit Hormonen mit dem Gehirn zu interagieren und damit sogar unsere Stimmung zu beeinflussen (Chung and Kasper, 2010). Die Bakterien des Mikrobioms können über die Darm-Hirn-Achse Einfluss auf unser Gehirn nehmen und sogar die negativen Auswirkungen von Depressionen und Autismus reduzieren (Ledochowski et al., 2000; Sandler et al., 2000).
Es gibt verschiedene Nahrungsbestandteile oder -zusätze, die die Durchlässigkeit des Darms erhöhen (englisch: leaky gut = durchlässiger Darm). Dazu gehören so unverfänglich klingende Substanzen wie Zucker und Salz, aber auch Emulsionsmittel wie z.B. das Lecithin, der Weizenkleber Gluten und bakterielle Transglutaminase, die z.B. bei der Wurstherstellung eingesetzt wird. Diese können dazu führen, dass Bakterien oder Nahrungsbausteine in den Körper eindringen und zu Immunreaktion führen. Normalerweise wird die Nahrung im Darm durch Enzyme stark zerkleinert und diese kleinen Fragmente stimulieren das Immunsystem nicht. Sind die Öffnungen in der Darmwand zu groß, können größere Moleküle durchschlüpfen, die in der Lage sind, eine Reaktion des Immunsystems auszulösen. Einige dieser Nahrungsbestandteile können auch direkt im Körper zu Reaktionen führen. In diesem Zusammenhang möchte ich besonders das Gluten erwähnen, welches aus Getreide stammt und z.B. in Brot und Nudeln zu finden ist. Es stimuliert die Abgabe des Proteins Zonulin aus der Darmwand, welches die schon erwähnten kleinen Lücken zwischen den Zellen (Tight Junctions) erweitert. Ähnlich funktioniert übrigens ein Zellgift der Cholera-Bakterien, welches über den gleichen Mechanismus den Darm schädigt. Durch diese erweiterten Löcher können dann Bakterien und größere Moleküle in den Körper eindringen. Die Folge von diesen Löchern in der Darmwand können so unterschiedliche Autoimmunkrankheiten wie Schilddrüsenerkrankungen (speziell Hashimoto), Zöliakie, rheumatoide Arthritis, Diabetes Typ 1 und Multiple Sklerose sein. Der Körper produziert in diesen Fällen Antikörper gegen Strukturen, mit denen er sich normalerweise nicht auseinandersetzen muss. Bei einzelnen Personen, die genetisch dafür veranlagt sind, richten sich diese Antikörper dann auch gegen eigene Körperstrukturen, was diese Autoimmunkrankheiten auslöst (Fasano et al., 2011).
Heute kann mit neuen Testmethoden nicht nur eine Sensitivität für Gluten festgestellt werden, sondern man kann mittlerweile sogar Zonulin und Antikörper gegen Zonulin in Patienten messen. Im Fall von Gluten ist eine Abhilfe einfach: Entfernt man Gluten-haltige Lebensmittel vom Speiseplan, sinken die Zonulin-Spiegel, der Darm kann seine Barrierefunktion wieder aufbauen, die Autoimmun-Antikörper verschwinden und die Effekte gehen zurück.
In der nächsten Zeit werde ich mich verschiedenen Autoimmunkrankheiten widmen und beschreiben, wie man nachweisen kann, dass hier die Ursache im Darm liegt und Tipps geben, wie man den Darm wieder regenerieren kann. Wer betroffen ist und Interesse an einer individuellen Beratung hat, kann sich gerne auch über unser Kontaktformular melden. Da wir uns auf funktionelle Diagnostik spezialisiert haben, können wir helfen, die richtigen Tests zu machen und die Daten zu interpretieren.
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