Nachdem ich heute sogar in Bild-online einen Artikel über die Vorzüge der Paleo-Ernährung gefunden habe, war ich doch verwundert, dass die Paleo-Ernährung nun schon so „Mainstream“ geworden ist. Auf der anderen Seite frage ich mich, ob dass, was in der breiten Öffentlichkeit als „Paleo“ verkauft wird, auch wirklich Paleo ist. Und dann habe ich mich selbst gefragt, ob ich denn den richtigen Begriff von Paleo habe.
Die meisten werden zustimmen, dass bei der Paleo-Ernährung das gegessen wurde, was die Menschen zum Essen fanden, bevor sie mit Ackerbau und Viehzucht begannen. Doch wie ich schon einmal zusammen gefasst habe, hat sich die Zusammensetzung der damaligen Ernährung je nach Region und Saison stark unterschieden. Obwohl die Paleo-Ernährung heute oft mit einer fleischbetonten-Ernährung gleichgesetzt wird, gibt es Berechnungen, dass der Pflanzenanteil zwischen 30 und 70% schwankte. Nicht jeden Tag war man damals ein erfolgreicher Jäger. Und wenn pflanzliche Nahrung gefunden wurde, hat diese sich auch weniger gewehrt.
Mittlerweile sprießen die Facebook-Foren und Paleo-Blogs wie Pilze aus dem Boden. Das, was man da unter Paleo versteht, unterscheidet sich jedoch gewaltig von einander. Auf weniger „strengen“ Paleo-Seiten führt die Frage: „Was hat das mit Paleo zu tun?“ unausweichlich zu einem Shit-Storm. Umgekehrt wird ein zu weitgefasster Paleo-Gedanke auf einer Hard-Core Paleo Seite sofort als abtrünnig abgekanzelt.
Fakt ist: Was wir heute in einem Lebensmittelgeschäft kaufen, hat nur noch entfernt mit dem zu tun, was die Steinzeitmenschen in der Natur vorfanden.
Durch Selektion und Züchtung haben die heutigen Getreidesorten nichts mehr mit Wildgräsern gemein. Aber auch die Zuchttiere sind in ihrer Zusammensetzung nicht mehr mit den Wildtieren von damals identisch. Alte Obstsorten sind meist verschwunden, und selbst die alten Sorten dürften heute andere Inhaltsstoffe haben als die Obstsorten der Steinzeit.Paleo-Ernährung ist eher eine Einstellungssache.
In unserer heutigen Zeit werden wir überflutet mit Fertigproduktangeboten. Die Entscheidung zu frischen Lebensmitteln ist der erste Schritt. Dann noch ökologische Gesichtspunkte zu beachten, wo es geht, auf regionale und saisonale Angebote zurückzugreifen, ist der zweite Schritt. Damit ernährt man sich schon zu zwei Drittel nach Paleo-Gesichtspunkten. Ob man dann immer oder meist auf Getreide- und Milchprodukte verzichtet, sollte wohl eher auf Basis persönlicher Vorlieben oder Unverträglichkeiten entschieden werden. Ja, Milch ist ein Nach-Paleo Produkt. Aber nur deshalb auf Käse und Milchprodukte zu verzichten, weil man 100% Paleo sein will, ist meines Erachtens zu viel des Guten. Ernährung ist ein Teil der Kultur.Unsere Kultur hat sich seit der Steinzeit nun einmal weiter entwickelt.
Früher ist man am Tag 15 km unterwegs gewesen, um seine Nahrung für den Tag zusammen zu suchen. Wer geht heute noch so viel? Klar ist das Fett aus Weidetieren gesünder als Margarine. Aber auch wer heute viel gesundes Fett zu sich nimmt, muß sich trotz allem nicht wundern, wenn er zunimmt, wenn er nicht gleichzeitig auch seine Bewegung erhöht. Nicht umsonst ist die Paleo-Ernährung in der Cross-Fit Szene so beliebt. In der Steinzeit verbrachte man den Winter bei Minustemperaturen im Freien. Heute sitzen wir bei 22°C vor der Heizung. Das, was uns damals durch den Winter brachte, macht uns heute einfach nur fett. Man kann bestimmt auch heute zu fast 90% Paleo leben. Aber mir ist lieber, mit nur 70% ohne Komplikationen mein tägliches Leben zu bestreiten, und ohne schlechtes Gewissen auch im Italienurlaub am Strand ein Eis zu essen, oder hin und wieder in Frankreich ein frisches Croissant zum Frühstück, auch wenn das kein Paleo ist.Ich bin überzeugt, wenn die Mehrheit unserer Bevölkerung nur 50% der harten Paleo-Regeln befolgen würde, wäre der allgemeine Gesundheitszustand deutlich besser.
Daher glaube ich, dass man den Paleo-Gedanken ruhig lockerer sehen sollte. Damit nimmt man dann viel mehr Leute auf die Reise mit. Ob man sich dann „Paleo“ oder „auch-Paleo“ ernährt, ist dann wohl nur eine Frage der Definition.
Bildquelle: © Dmitry Pichugin - fotolia.com
Kommentare
Kommentar veröffentlichen