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Wie kann man mit Ernährung die Symptome von SIBO lindern?


SIBO (engl. Small Intestinal Bacterial Overgrowth Syndrom; dt: bakterielles Überwachsen des Dünndarms) stellt eine bakterielle Fehlbesiedelung des Dünndarms dar (Bures et al., 2010). Ursprünglich dachte man, dass nur wenige Personen betroffen sind. Sie scheint aber häufiger vorzukommen, als früher gedacht (Dukowicz et al., 2007). Symptome reichen von aufgeblähtem Oberbauch, Blähungen, chronischem Durchfall, Müdigkeit, Schwäche, Gewichtsverlust bis hin zu Mangelzuständen durch verringerte Darmresorption. Eine Diagnose ist schwierig und wird entweder auf Basis eines Methan- oder Wasserstoff-Atemtests, oder einer Analyse von Dünndarminhalt getroffen, wobei die Aussagekraft dieser Tests umstritten ist (Goshal, 2011; Rana et al., 2012).

Der an den Magen anschließende vordere Teil des Dünndarm (Duodenum und vorderes Jejunum) enthält normalerweise nur geringe Bakterienmengen. Dabei handelt es sich dann meist um Lactobacilli und Enterokokken. Gram-positive Aerobier oder fakultative Anaerobier Bacteroides finden sich nicht im Jejunum gesunder Personen. Die Menge überschreitet normalerweise nicht 104 Keime pro ml, wohingegen im Dickdarm Konzentrationen bis zu 1012 Keime zu finden sind und sich dort auch die Zusammensetzung im Vergleich zum Dünndarm stark unterscheidet. Bei SIBO findet ein Anstieg der Anzahl und eine Veränderung der Zusammensetzung der Bakterien im oberen Verdauungstrakt statt.

Im Normalzustand wird der Nahrungsbrei im Dünndarm, der im Magen angesäuert wurde, zuerst neutralisiert und dann hauptsächlich mittels Enzymen aufgeschlossen. Die Nahrungsstoffe, die nicht durch Enzyme aufgespalten werden, werden dann zum größten Teil im Enddarm durch bakterielle Fermentation aufgeschlossen und genutzt. Bei der bakteriellen Fermentation entstehen u.a. auch Gase, die zum Teil durch andere Bakterien aufgenommen und verstoffwechselt werden. Zum Teil führen diese Gase jedoch auch zu Blähungen, die durch den Enddarm entweichen können. Unter normalen Umständen gibt es verschiedene Mechanismen, die verhindern, dass Bakterien aus dem Dickdarm in den Dünndarm gelangen. Dazu gehört im Wesentlichen die Fließgeschwindigkeit des Nahrungsbreis während der Verdauung. Es werden durch diesen Vorgang kontinuierlich Bakterien Richtung Enddarm befördert und ausgeschieden. Bei einer verringerten Strömungsgeschwindigkeit wegen z.B. Motilitätsstörungen (= Bewegungsstörungen, Störung der Peristaltik) können Bakterien “gegen den Strom“ wandern und in den Dünndarm gelangen. Am Übergang zwischen Dünndarm und Dickdarm befindet sich die sog. Ileozökal-Klappe, die beide Darmabschnitte wie ein Ventil voneinander trennt und ein Aufsteigen von Bakterien aus dem Dick- in den Dünndarm verhindern hilft. Ferner ist der Nahrungsbrei im Magen so sauer, dass diese Säure bis zur Neutralisation im Dünndarm ein Wachstum vieler hier negativ wirkender Bakterienarten verhindert. Daher können im Dünndarm auch die Milchsäurebakterien überleben, die einen niedrigen pH-Wert bevorzugen. In den Dünndarm werden zudem noch antibakteriell wirkende Antikörper ausgeschieden und die dort normal überlebensfähigen Bakterienarten scheiden Bakteriozide aus, die unwillkommene Bakterien am Wachstum hindern.

Für die Probleme bei SIBO kann es nun viele Ursachen geben. Einerseits können anatomische Probleme vorliegen, wie z.B. eine defekte Ileozökal-Klappe, Divertikel und Fisteln. Darmoperationen können u.a. zu Darmschlaufen führen, in denen sich Bakterien ansiedeln und nicht mit der Strömung mitwandern. Daneben gibt es Unverträglichkeiten gegen z.B. Laktose oder Gluten (Chang and Green, 2012). Diese können die Darmoberfläche verändern und die Besiedelung mit Bakterien beeinflussen und es können immunologische Reaktionen die Beziehung zwischen Darm und Bakterien negativ beeinflussen. Es zeigen auch viele Patienten mit IBS (engl. Irritable Bowel Syndrom, dt. Reizdarm) SIBO Symptome (Ford et al., 2009; Sachdeva et al., 2011; Dahlqvist and Piessevaux, 2011). Es stellt sich aber oft die Frage, was zuerst war, da nicht klar ist, ob SIBO IBS begünstigt, oder IBS SIBO. Schließlich findet man auch bei Diabetikern und generell bei älteren Personen gehäuft SIBO, was evtl. durch eine Beeinträchtigung der Darm-Innervation verursacht wird (Almeida et al., 2008).

Personen, die unter Sodbrennen (engl. Gastroesophageal Reflux Disease, GERD) leiden, bekommen heute meist Protonenpumpenhemmer (engl. Proton Pump Inhibitor, PPI) verschrieben. Dies beruht auf der Theorie, dass diese Personen zu viel Magensäure produzieren, was zu dem sauren Aufstoßen führt. Diese Behandlung muss meist langfristig fortgeführt werden, da die Symptome beim Absetzten der Medikamente meist wiederkehren. Es gibt jedoch auch die Theorie, dass diese Personen nicht zu viel, sondern zu wenig Magensäure produzieren (Schubert, 2010). Da der Magen dann den Nahrungsbrei nicht genügend ansäuern kann, wird dies z.T. durch verstärkte Bewegungen kompensiert, die zum sauren Aufstoßen führen. Zusätzlich kann in einer solchen Situation der zu schwach angesäuerte Magenbrei in den Dünndarm gelangen und dort, weil er nicht sauer genug ist, Bakterien zum Wachstum fördern, die dort sonst nicht gedeihen. Diese können dann die nur schwach aufgeschlossene Nahrung durch Fermentation mit Gasbildung aufschließen. Dies führt dann zu einem Aufblähen des Oberbauchs, was auf den Magen drückt und zusätzlich Sodbrennen verursacht. Tatsächlich gibt es viele Hinweise dafür, dass Personen, die PPI einnehmen, verstärkt mit SIBO diagnostiziert werden (Lombardo et al., 2010; Compare et al., 2011; Lo and Chan, 2013; Jacobs et al., 2013).

Zur Behandlung einer bakteriellen Fehlbesiedelung bei SIBO werden gerne Antibiotika wie Rifaximin verschrieben (Peralta et al., 2009), aber die Wirkung hält nach Absetzen nicht lange an und die Symptome kehren zurück (Lauritano et al., 2008). Um eine Antibiotikabehandlung zu vermeiden, die auch die positiv wirkenden Darmbakterien abtötet, wäre daher eine positive Beeinflussung der Darmbesiedlung über die Ernährung sinnvoll. Die Fließgeschwindigkeit bei Darmproblemen kann z.B. durch die Einnahme von Flohsamenschalen verbessert werden (Cabré, 2010), und unterstützt durch sportliche Betätigung führt dies oft zu erhöhter Motilität des Darms. Bei Sodbrennen wird als altes Hausmittel auch die Einnahme von ungefiltertem Apfelessig empfohlen (enthält neben Milchsäurebakterien und deren Stoffwechselprodukte = Synbiotikum), was evtl. bei Personen hilft, deren Sodbrennen durch zu wenig Magensäure verursacht wird. Dies kann dann wiederum der bakteriellen Zusammensetzung des Dünndarms gut tun, da der Nahrungsbrei besser aufgeschlossen wird und der pH-Wert Schadbakterien im Dünndarm verhindern hilft.

Einige Studien unterstützen die Verwendung von Probiotika (meist Milchsäurebakterien) (Jimenez, 2009). Besonders die Gabe von Milchsäurebakterien kann helfen, die bei SIBO vorkommende Darmbakterienzusammensetzung zu verbessern (Barrett et al., 2008). Eine SIBO Behandlung mit probiotischen Bakterien und Präbiotika nach einer Antibiotikabehandlung (Rifaximin) konnte auch wieder zu einer Normalisierung beitragen (Rosania et al., 2013). Eine Beschleunigung der Darmpassage und eine Verbesserung der Zusammensetzung der Darmbakterien durch die Ernährung kann daher die SIBO-Symptome verbessern.

Autor: Jens
Bildquelle: © unlim3d - Fotolia.com

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