Wer abnehmen will bekommt normalerweise zwei Ratschläge: Iss weniger und mache mehr Sport! Auf den ersten Blick sind beide Empfehlungen nachvollziehbar. Unser Körper verbraucht täglich Energie. Unsere Körpertemperatur ist normalerweise auf 37° C einreguliert, da bei dieser Temperatur die meisten biologischen Prozesse optimal ablaufen. Damit ist unsere Körpertemperatur meist höher, als die Umgebungstemperatur, so dass wir Wärmeenergie durch Abstrahlen verlieren, die permanent nachproduziert wird. Diese Wärme entsteht zum Teil bei chemischen Prozessen wie dem Aufschließen der Nahrung und anderen Synthese- oder Abbauprozessen im Körper. Zum Teil entsteht sie auch bei Bewegung, wie sie bei körperlicher Arbeit oder sportlicher Betätigung durchgeführt wird. Die dann überschüssige Wärmeenergie wird abgestrahlt, um die Körpertemperatur wieder auf ca. 37° C abzukühlen. Bewegen wir uns viel, erhöht dies normalerweise die Körpertemperatur entsprechend und wir strahlen viel Energie ab. Durch die Ernährung führen wir unserem Körper Energie zu, die, wenn wir mehr zuführen als wir sofort benötigen, in Depots gespeichert wird. Bis zu 400 g Zucker bzw. Kohlenhydrate werden in den Muskeln und in der Leber als Glykogenreserve gespeichert. Führt man dem Körper weitere Kohlenhydrate oder Fett zu, werden die überzähligen Kohlenhydrate in Fett umgewandelt und mit dem direkt aufgenommen Fett in den Fettdepots des Körpers gespeichert, bis sie wieder benötigt werden. Daher kann man durchaus einige Tage lang ohne Nahrung auskommen und seine Körpertemperatur stabil halten, weil in diesen Situationen die Reserven angezapft werden.
Die Energie, die der Körper verbraucht, um seine vitalen Funktionen zu erhalten, wird Grundumsatz genannt. Die Energiemenge hängt von vielen Faktoren wie z.B. Geschlecht, Hormonstatus, Alter und Körpergewicht ab. Sobald wir uns bewegen, benötigen wir mehr Energie. Dieser Umsatz heißt Tätigkeitsumsatz. Die zusätzlich verbrauchte Energie hängt wesentlich von der Art der körperlichen Anstrengung ab. Liegt der Grundumsatz eines normalgewichtigen Mannes bei etwa 1.800 Kcal pro Tag, kann er bei starker körperlicher Anstrengung wie bei Radfahrern der „Tour de France“ auf 7.700 Kcal ansteigen (Saris et al., 1989). Liegt die zugeführte Menge an Kalorien in der Nahrung unterhalb des Tätigkeitsumsatzes, zieht der gesunde Körper die benötigte Energie aus den Depots ab. Rein physikalisch betrachtet ist die Annahme richtig, dass weniger Essen und mehr Bewegung dazu führen sollten, dass wir eine negative Energiebilanz haben und durch Aufbrauchen unserer Depots an Gewicht verlieren.
Unsere Körper gehorchen jedoch nicht nur rein physikalischen Gesetzen, sondern zusätzlich auch den Gesetzen der Biochemie. Und da sieht die Sache dann etwas anders aus.
Oft wird der Energieverbrauch durch Sport überschätzt. Ein 75 kg schwerer Mann verbraucht in 30 min. Joggen nur 290 Kcal. Wer danach ein Glas Weizenbier trinkt, führt sich wieder 220 Kcal an Energie zu. Eine unlängst veröffentlichte Analyse hat gezeigt, dass die meisten Sportprogramme vorteilhaft für die Herzgesundheit sind, aber nicht zum Fettabbau beitragen (Boutcher and Dunn, 2009). Wer Gewicht verlieren will, strebt an, Fett zu verlieren, aber nicht Muskelmasse. Welcher Sport ist nun vorteilhaft zum Fettabbau und idealerweise zum Muskelaufbau? Genaugenommen wollen wir meist nicht Gewicht, sondern Umfang verlieren. Da Muskelgewebe ein höheres spezifisches Gewicht als Fett hat, kann es beim Abnehmen passieren, dass man obwohl man anfangs an Umfang verliert, kein Gewicht verliert oder sogar minimal zulegt. Dies ist jedoch keineswegs schädlich, sondern vorteilhaft für den weiteren Abnahmeprozess, da es die Muskeln sind, die Energie verbrauchen und Wärme generieren. Ziel jeder sportlichen Betätigung zur Gewichtsreduktion muss daher der Aufbau von Muskeln sein, was langfristig dann zum Fettabbau führt.
Wer bereits übergewichtig ist, hat oft ein hormonelles Problem. Normalerweise sind die Hormone Insulin und Glukagon in der Lage, die schnell verfügbaren Glykogenspeicher zu füllen und zu leeren. Bei übergewichtigen Personen gelangen übermäßig aufgenommene Kohlenhydrate (und Zucker) nicht in die Muskelzellen, sondern werden in Fett umgewandelt und eingelagert. Solange Zucker im Blut ist, ist auch der Insulinspiegel erhöht. Wenn bei diesen Personen Energie benötigt wird, kann in der Anwesenheit des Insulins jedoch kein Fett aus den Depots abgerufen werden. Alternativ greift der Körper dann gerne Muskeln als Energiequelle an, was die Probleme noch verstärkt.
Wenn übergewichtige Personen nun Sport machen, werden oft Ausdauersportarten (z.B. Walking) gewählt, die nicht dem Fettabbau dienen. Bei Gewöhnung an den Bewegungsablauf kommt es sogar noch zu weniger Energieverbrauch als zu Beginn einer solchen Bewegungsart. Überanstrengungen können bei übergewichtigen Personen dann auch noch zur Ausschüttung des Stresshormons Kortisol führen, was weiter den Fettabbau blockiert. Die falsche sportliche Betätigung kann hier also sogar schaden.
Ein Sportprogramm (sog. Wingate-Anaerobic-Test) für den gezielten Muskelaufbau wurde schon in den 1970er Jahren entwickelt (Dotan and Bar-Or, 1983; Bar-Or, 1987) und wird heute HIIT (High Intensity Interval Training) genannt. Dieses Programm wurde in den 1990er Jahren verbessert und ist heute unter dem Begriff Tabata-Protokoll bekannt (Tabata et al., 1996; Tabata et al., 1997). Bei diesem Programm werden nach einer kurzen Aufwärmphase 3 bis 10 hochintensive Übungen, getrennt von mittellangen Erholungsphasen durchgeführt. Je nach Übungen dauert der ganze Zyklus nur 4 bis 30 Minuten, was es ermöglicht, solche Protokolle mit sehr wenig Zeitaufwand zu absolvieren. Schon mit nur 12 Minuten pro Woche kann man bereits erstaunliche Resultate erzielen (Little and McGuff, 2009). Dadurch dass man damit die Muskeln an die Erschöpfungsgrenze bringt, werden diese zum Aufbau gebracht und gleichzeitig der Abbau verhindert (Smith et al., 2013).
Übergewichtige Personen können also neben einer Ernährungsumstellung mit Sport dann Gewicht verlieren, wenn sie gezielt Programme durchführen, die den Muskelaufbau anregen. In der Folge geht dann der Fettabbau fast von alleine. Besonders die relativ wenig zeitintensiven HIIT-Programme werden dabei gerne über längere Zeit betrieben und führen zu guten Ergebnissen (Shiraev and Barcley, 2012).
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