Autismus ist eine tiefgreifende neurologische Entwicklungsstörung, die in den letzten Jahren zunehmend diagnostiziert wird. So wurden 1983 0,8 Fälle auf 1000 Personen gemeldet, 1999 4,6 auf 1000 und 2007 schon 11 Fälle auf Tausend (Al-Qabandi et al., 2011). Die Ursachen für diese zunehmenden Diagnosen werden teilweise in Umwelteinflüssen gesucht, scheinen aber im Wesentlichen auf eine verfeinerte Diagnostik zurückzuführen zu sein (Huerta und Lord, 2012). Das Spektrum der autistischen Störungen ist sehr breit, weswegen man heute eigentlich nicht von Autismus, sondern von ASD (engl. = Autism spectrum disorders) spricht, d.h. Erkrankung aus dem autistischen Spektrum. Für dieses breite Krankheitsbild gibt es wahrscheinlich viele Ursachen und daher auch viele Behandlungsmöglichkeiten. Meist wird Autismus als unheilbar beschrieben, aber es gibt Berichte, dass zwischen 3% bis 25% der betroffenen Kinder ihre Diagnose im Laufe der Zeit verlieren und ein normales Leben führen (Helt et al., 2008). Viele Ansätze scheinen dazu beizutragen. Die Ernährung gehört auch zu diesen Faktoren. Schon in der ersten Publikation, in der Autismus beschrieben wurde, gibt es Referenzen zu Darmproblemen bei den Betroffenen (Kanner, 1971). Unterschiedliche Studien zeigen, dass zwischen 9-94% der Kinder mit Autismus Verdauungsprobleme haben (Gilger und Redel, 2009). Auch Hans Asperger, nach dem eine Form von Autismus benannt wurde, spekulierte schon früh über Beziehungen zwischen Ernährung und Zöliakie bei Autismus (Asperger, 1961). Unklar ist jedoch auch heute noch, ob bei bestimmten Fällen mit Autismus die Bevorzugung bestimmter unverträglicher Nahrung zu Darmproblemen führt oder ob vorliegende Darmprobleme zu Autismus führen. Und ebenso wie Ernährung für die Entstehung von autistischen Erkrankungen mit verantwortlich sein kann, gibt es Anzeichen dafür, dass mit der richtigen Diät/Ernährung die Symptome gelindert werden können.
Eine Diät, von der alle Betroffenen profitieren können, wird es wohl nicht geben. Ziel eines Ansatzes über die Ernährung muss es sein, die Patienten zu identifizieren, die von einer Veränderung der Ernährung in eine spezielle Richtung hin profitieren, und welche eben nicht.
In jüngster Zeit rückt in Hinblick auf Autismus auch das Mikrobiom, also die Gesamtheit der Mikroorganismen im Darm, in den Blickpunkt (Mulle et al, 2013). Die Ernährung hat einen direkten Einfluß auf die Zusammensetzung der Darmflora. Bis zu 1000 verschiedene Bakterien und Pilzarten können sich im Darm befinden und helfen dabei, die Nahrung aufzuschließen; sie stellen zum Teil aus der Nahrung auch lebenswichtige Produkte her. Autisten haben oft Vorlieben für bestimmte Nahrungsmittel (Cermak et al., 2010). Durch eine einseitige Ernährung, die Vermeidung bestimmter Nahrung, aber auch durch genetisch bedingte Ursachen kann sich eine Darmflora ausbilden, in der spezielle Bakterienarten die Überhand gewinnen, die sonst von gutartigen Bakterien unterdrückt werden. Viele von ASD Betroffene zeigen z.b. eine Präferenz für eine sehr kohlenhydrathaltige Nahrung, was Bakterien fördert, die Kohlenhydrate als Nahrungsquelle verwenden können.
Eine wichtige Funktion bei der Verdauung übernimmt die Darmwand. Sie muss Nährstoffe durchlassen, auf der anderen Seite muss sie verhindern, dass Schadstoffe und Bakterien in den Körper gelangen. Eine oft beschriebene Ursache für Darmprobleme bei Autisten ist ein durchlässiger Darm. Dadurch können Mikroorganismen, Proteine oder Fragmente von Proteinen in den Blutkreislauf gelangen, die dort zu immunologischen Problemen führen. Bestimmte Proteine können selbst direkt zu neurologischen Störungen führen. Dazu gehören z.B. Gluten und Casein, die Opioid-ähnliche Wirkungen auf des Nervensystem ausüben können. Zu den verschiedenen Ernährungsempfehlungen beim Autismus-Spektrum gehört eine Gluten-freie, eine Casein-freie, oder eine sowohl Gluten-freie, wie auch Casein-freie Ernährung (Whiteley et al., 2013). Auch bakterielle Hüllproteine können zu einer Stimulation von Zytokinen führen, die die Gehirnfunktion beeinträchtigen.
Die Vermeidung von Substanzen, die eine negative Wirkung haben können wie Gluten oder Casein ist eine Möglichkeit. Ein anderes Vorgehen ist der aktive Wiederaufbau der Darmbarriere. Dies lässt sich durch Probiotika beeinflussen, das sind Nahrungsmittel, die Mikroorganismen enthalten, die sich positiv auf die Darmgesundheit auswirken. Spezielle Bakterien wie z.B. Milchsäurebakterien helfen die Schleimhaut wieder aufzubauen, sie verhindern das Überwachsen durch Schadbakterien, stimulieren das Immunsystem und stellen selbst antioxidative Substanzen her (Ukena et al., 2007, Critchfield et al., 2011). Es hat sich gezeigt, dass sich im Darm von Autisten oft schädliche Bakterien befinden, die Toxine produzieren. Dazu gehören z.B. verschiedene Arten von Clostridien, aber auch Desulfofibrio-Bakterien, die Virulenzfaktoren produzieren, können gehäuft vorkommen (Finegold, 2011). Speziell Clostridien können Giftstoffe produzieren und auch Propionsäure aus Kohlenhydraten synthetisieren, die im Verdacht stehen, autistische Verhaltensweisen zu verursachen (Bolte, 1998, Shultz et al., 2008). Kurzfristige Erfolge kann man durch die Gabe von Antibiotika erzielen, die Chlostridien abtöten, aber da diese in der Lage sind Sporen zu bilden, wachsen sie wieder heran, sobald man die Antibiotika absetzt. Eine langfristig sinnvollere Strategie ist daher sicher, Schadbakterien durch gutartige Bakterien zu verdrängen und ihnen die Nahrungsgrundlage zu entziehen.
Hier noch ein weiterer Ernährungsansatz: Schon früh im letzten Jahrhundert wurde die sog. SCD (Special Carbohydrate Diet) entwickelt (Haas und Haas, 1955) und in jüngster Zeit durch Bücher von Elaine Gottschall populär gemacht. Diese Diät verbietet Zweifachzucker, Mehrfachzucker und Kohlenhydrate, die u.a. auch von Chlostridien als Nahrungsquelle bevorzugt werden. Dadurch werden diese zurückgedrängt und die Darmflora kann sich regenerieren. Ob sich eine solche spezielle Diät langfristig bei Autisten durchhalten lässt, ist schwer vorherzusagen.
Durch die oft einseitige Ernährung haben Autisten häufig Mangelerscheinungen. Es gibt Studien die zeigen, dass sich durch die Gabe von Vitaminen und Mineralstoffen eine Verbesserung vieler Messparameter erzielen ließ (Adams et al., 2011).
Zusammenfassend kann man nach heutigem Erkenntnisstand sagen, dass, wenn es auch in den meisten Fällen nicht zu einer vollständigen Heilung kommt, die positive Beeinflussung des Krankheitsbilds Autismus in vielen Fällen durch die Ernährung möglich ist.
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