Eine der wesentlichen Funktionen von Vitamin E ist die Stabilisierung und Reparatur von Zellmembranen (Amber et al, 2011). Die Moleküle werden in Plasmamembranen eingelagert und wirken hier als Radikalenfänger (Traber und Atkinson, 2007), wobei langkettige mehrfach ungesättigte Fettsäuren wie z.B. Omega-3 Fettsäuren vor Oxidation geschützt werden.
Obwohl alle Vitamin E Moleküle ähnlich antioxidative Wirkungen haben, ist alpha-Tocopherol die Substanz, die die höchste biologische Aktivität hat, da diese Substanz am besten an das leberspezifische Protein alpha-TTP bindet, was für den Metabolismus wichtig ist. Da direkte Tests für die biologische Aktivität nicht verfügbar sind, werden indirekte Messungen dafür verwendet. Dabei unterscheidet man zwischen Bioverfügbarkeit (Aufnahme durch den Darm) und der Biopotenz, die z.B. durch die antioxidative Wirkung gemessen werden kann. Synthetisches Tocopherol ist relativ instabil und wird daher zur Stabilisierung bei der Herstellung mit einer Acetyl-Gruppe versehen (alpha-Tocopherolazetat). In der Natur kommt alpha-Tocopherol nur in einer räumlichen Struktur vor. Die Sache wird jedoch komplizierter dadurch, dass synthetisches alpha-Tocopherolazetat als Gemisch von acht in gleichen Mengen vorkommenden chemisch identischen, jedoch räumlich unterschiedlichen Molekülen vorliegt (all-rac-alpha-Tocopherol) (Jensen und Lauridsen, 2007). Alle diese Stereoisomere haben eine ähnlich antioxidative Wirkung, unterscheiden sich aber in ihrer Bioaktivität. Nur eine Form, die die dem natürlichen alpha-Tocopherol entspricht, wird vom Körper bevorzugt (Traber und Packer, 1995).
Die antioxidative und schützende Wirkung von Vitamin E wird seit Jahren in verschiedenen klinischen Studien untersucht, die jedoch immer wieder widersprüchliche Ergebnisse bringen.
Vor kurzem wurde die sogenannte SELECT Studie beendet, in der die schützende Wirkung von Vitamin E mit Selen auf das Prostatakrebsrisiko untersucht wurde (Dunn et al., 2010; Klein et al., 2011). Die Ergebnisse der Studie wurden so interpretiert, dass beide Substanzen keine Schutzwirkung hatten und man fand eine Tendenz, dass Vitamin E sogar das Risiko für Prostatakrebs erhöht. Vergleicht man Studien einfach nur unter dem Aspekt, dass Vitamin E eingenommen wurde, so ist die Aussagekraft stark relativiert. Auch innerhalb einer Studie reicht es nicht, Probanden die Vitamin E einnehmen, mit Probanden, die kein Vitamin E nehmen, zu vergleichen, wenn nicht im Studiendesign Wert auf die identische Vitamin E-Form oder -Zusammensetzung gelegt wird. Da alpha-Tocopherol in der Leber gespeichert und von dort dem Organismus zur Verfügung gestellt wird, ist es innerhalb einer Studie auch wichtig, den Vitamin E Spiegel in Probanden zu Beginn einer Studie zu messen, aber auch während einer Studie die zusätzliche Versorgung mit Vitamin E aus der Nahrung mit zu berücksichtigen. All diese Parameter können die Aussagekraft einer Studie extrem beeinflussen, wenn man nicht darauf achtet. Aus diesem Grund kommt nun eine Nach-Analyse der SELECT Studie zur Empfehlung, eine neue Studie mit besserem Design und umfangreicheren Vorstudien zu machen, da die SELECT-Studie nach heutigen Gesichtspunkten falsch konzipiert wurde (Ledesma et al., 2011).
Was mache ich nun mit diesen Informationen? Alle Aussagen bezüglich des Vitamin E müssen mit entsprechender Vorsicht betrachtet werden, und man sollte sich anschauen, was für ein Molekül oder Molekülgemisch verwendet wurde. Wie bei Vitaminen (Vita = Leben) schon der Name sagt, sind diese lebensnotwendig, das heißt, wir müssen sie mit der Nahrung aufnehmen, da wir sie nicht selbst herstellen können. Sollten wir nicht in der Lage sein, die notwendigen Mengen aus natürlichen Quellen wie z.B. Pflanzenölen zu decken, und wir Nahrungsergänzungsmittel in Betracht ziehen, so sind hier Vitamin E Ergänzungsmittel auf natürlicher Basis vorzuziehen, da deren Bioverfügbarkeit und Biopotenz höher ist, als bei synthetischen Produkten.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen